Dies domini – 20. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Leugnen macht keinen Sinn mehr. Die Fakten liegen auf dem Tisch und sprechen für sich. Es brennt allerorten. Das durch Menschenhandeln veränderte Klima lässt Böden verdorren, Flüsse austrocknen und Wälder brennen. Ein von menschlicher Hand vom Zaun gebrochener Krieg bringt Leid und Tod für die mit sich, die unmittelbar der Gewalt der Aggressoren ausgeliefert sind; Gasknappheit und Inflation betreffen auch weiter vom Kriegsgebiet entfernte Gegenden, sind aber im Vergleich zu den Leiden derer, die unmittelbar der Bestie Krieg ausgeliefert sind, sicher eine kleineres Übel – gleichwohl ein Übel, mit dem man umgehen muss. Damit es im kommenden Herbst und Winter nicht zu sozialen Flächenbränden kommt, ist kluges und weitsichtiges Handeln vonnöten – zumal die Corona-Pandemie ebenfalls noch nicht besiegt ist. Es gibt sie jetzt schon, die Propheten, die das Kommende sehen und mahnen und warnen. Sie ereilt aber wohl das Schicksal aller Propheten die wahr sagen, während die Menschen das Wahre, das die eigenen Bequemlichkeiten und Gewohnheiten in Frage stellt, nicht hören wollen und deshalb die, die wahr sagen, zum Schweigen bringen möchten. Heute toben durch die sozialen Medien Shitstorms; in jenen Zeiten, in denen die erste Lesung vom 20. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C zu verorten ist, warf man die Propheten in den Dreck – so auch den Propheten Jeremia:
In jenen Tagen sagten die Beamten zum König: Jeremía muss getötet werden, denn er lähmt die Hände der Krieger, die in dieser Stadt übrig geblieben sind, und die Hände des ganzen Volkes, wenn er solche Worte zu ihnen redet. Denn dieser Mann sucht nicht Heil für dieses Volk, sondern Unheil. Der König Zidkíja erwiderte: Siehe, er ist in eurer Hand; denn der König vermag nichts gegen euch. Da ergriffen sie Jeremía und warfen ihn in die Zisterne des Königssohns Malkíja, die sich im Wachhof befand; man ließ ihn an Stricken hinunter. In der Zisterne war kein Wasser, sondern nur Schlamm und Jeremía sank in den Schlamm. Jeremia 38,4-6
Das Problem des Propheten ist die ungeschminkte und offene Rede, eben sein wahr sagen. Das Wahre braucht keine Strategie. Nur die, die die Wahrheit scheuen, brauchen einen Plan, um das Wahre zu verbergen. Jesus etwa spricht im Evangelium vom 20. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C unumwunden:
Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Lukas 12,49
Gleichwohl weiß er um die Konsequenzen, denn der Streit um das Unbestreitbare entzweit die Menschen:
Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter, und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter. Lukas 12,51-53
Das aber hat natürlich Auswirkungen auf den, der für die Wahrheit brennt:
Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Lukas 12,50
Prophetenschicksal eben …
Die Wahrheitsvermeider jedenfalls müssen Pläne machen und Strategien folgen, weil sie nicht das Offenkundige verfolgen, sondern eine Wirklichkeit erschaffen möchten, die eigentlich gerade nicht wahr ist. Ihnen fehlt der freie Mut zur Wahrheit. Erfüllt von Angst um das eigene Schicksal stricken sie Wahrheiten, verstricken sich aber nur allzu oft in den selbstgewobenen Gespinsten. Davon spricht die zweite Lesung vom 20. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C, die dazu aufruft, auf den Pfad der Wahrheit zurückzukehren:
Darum wollen auch wir, die wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, alle Last und die Sünde abwerfen, die uns so leicht umstrickt. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens; er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und sich zur Rechten von Gottes Thron gesetzt. Richtet also eure Aufmerksamkeit auf den, der solche Anfeindung von Seiten der Sünder gegen sich erduldet hat,
damit ihr nicht ermattet und mutlos werdet! Hebräer 12,1-3
Während also die Propheten der Wahrheit ihr Leben einsetzen, geht es denen, die die Wahrheit lieber um des eigenen Besitzstandes willen meiden, bloß ums Überleben. Die Nachfolge Jesu hingegen führt in die Zeugenschaft. Schon der Autor des Hebräerbriefes kann sich auf eine Wolke von Zeugen berufen – Zeugen der Wahrheit –, die vorbildhaft mit Frei- und Bekennermut wahr gesagt haben. Dazu gehören auch die Apostel, die vor den Hohen Rat in Jerusalem gezerrt, freimütig und geradehraus bekennen:
Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist, den Gott allen verliehen hat, die ihm gehorchen. Apostelgeschichte 5,32
Die, die das hören, geraten in Rage und beschließen, die Apostel zu töten. Prophetenschicksal eben …
Die Apostel aber werden seinerzeit noch gerettet. Es ist der Pharisäer Gamaliël, der eine Art Wahrheitsbeweis einführt: Die Realität wird es offenlegen. Wenn Segen auf einer Sache liegt, wird sie sich durchsetzen. Wenn kein Segen auf ihr liegt, wird das selbst gestrickte Gespinst in sich zusammenfallen.
Wir erleben in diesen Tagen in vielfältiger Weise, wie sich selbst gestrickte Gespinste in der Welt und der Kirche auflösen. Es brennt. Manches Gespinst mag sogar aus gutgemeinten Gründen gestrickt worden sein. Es hilft nichts. Es bleibt Gespinst. Die Wahrheit braucht keine Strategie. Das erkennen – früher oder später – auch ihre Gegner. Manchmal findet sich jemand, der die Propheten aus dem Dreck zieht, nicht, damit sie überleben, sondern leben. Um der Wahrheit willen!
Dr. Werner Kleine
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Du kannst einen Kommentar schreiben.